Körper, Geschichten und das, was darüber hinaus geht
unangemessen und elegant
die Lücke im Abbild der Welt vergrößern
"Was tun wenn's brennt, oder: Warum Karl mag's russisch lernt"
nach N.G. Tschernyschewskij
Die Kinder der Wende feiern den Fachkräftemangel und bauen eine Gegen-Fabrik. Produziert wird Unterbrechung der Kühlketten aus Angst und Alltag, also reiner Gebrauchswert, also Liebe.
Vielleicht ist es zu einfach, immer nur dann etwas Neues zu beginnen, wenn etwas Altes kaputt gemacht wurde. Sind sie ein gewöhnlicher Mensch? - Dann gibt es
Hoffnung...
Vermischtes
Keiner der Zuschauer wusste an diesem Abend genau, weshalb sie das Theater betreten hatten. Vielleicht hatte ihr Lebenspartner ihnen vorgeschlagen dort hin zu gehen oder Freunde hatten angerufen - man hatte sich länger nicht gesehen.
Nun saßen sie im Zuschauerraum, doch außer einer Reihe technisch glänzend vorgetragener Verabredungen auf der Bühne geschah - nichts.
Auch der wohlwollende Applaus und das Aufstehen in der Pause, das schale Gläschen Sekt nach langem Anstehen und der Geruch von abgestandenem Parfum blieben eine Behauptung. Als es schließlich einmal, zweimal dann drei- mal klingelte behaupteten die Zuschauer in ihre Sessel zurück zu fallen, doch noch immer ließ sich der Sinn oder die Ursache dieser merkwürdig aufwendigen Übung nicht bestimmen. Alle folgten eisern, aber freundlich bemüht dem Exerzizium, mit einem gradezu geheimnisvollem Gehorsam.
Das Geschehen auf der Bühne ging weiter, ohne dass es zu Ereignissen gekommen wäre, die einen Beweis für das tatsächliche Vorhandensein der Schauspieler, der Figuren oder der Zuschauer hätten liefern können.
Einzig und allein die Stühle bewiesen ihre Existenz durch eine gewisse Härte unter dem muffigen Plüsch. Darüber hinaus war eigentlich nichts zu beanstanden. Es kam zu den erwarteten solistischen Glanzleistungen, die in der Presse bereits Erwähnung gefunden hatten.
Die Berichte über den heutigen Abend allerdings erschienen nicht aus dem gewohnten Anlass eines öffentlichen Interesses am Kulturbetrieb, vielmehr galt es, ein tragisches und vor allem mysteriöses Ereignis zu verarbeiten: Das Einlasspersonal hatte, nachdem sie zu gegebener Zeit nach dem Ende der Vorstellung die Türen öffneten, einen leeren Saal vorgefunden. Es blieb unerklärlich, wie das vollbesetzte Haus sich davonschleichen hatte können. Zumal kurz vor dem Öffnen der Türen ein erschöpfter aber höflicher Applaus deutlich zu hören gewesen war. Die Klatschenden hatten sich vollständig in verbrauchte Luft aufgelöst und blieben verschollen. Die verbliebene Namensliste der Kartenbestellung wurde an die Behörden übergeben, doch vergeblich wartete man auf Vermisstenanzeigen. Es war, als hätten die Menschen, die an diesem Abend das Theater betreten hatten, niemals existiert.
eine Verschleierung nach Marguerite Duras...
Bühne: Viera Kucera, Kostüm: Dorothée Bach
mit: Patrick Bartsch, Patrizia Carlucci